Eine neue E-mail, wie schön! Kurze Ernüchterung. Ob ich denn auf meiner Webseite einen Apulien-Bildband empfehlen möchte und/oder könne.
Erste Reaktion: äh, eigentlich nicht. Ganz unter uns: ich bin kein großer Fan von Bildbänden.
Couchtisch-Bücher heißen die auch gerne, diese schweineteuren, schweren, schönen Hochglanzbücher.
Sowas liegt in gepflegt gebildeten Haushalten gerne zum Angeben scheinbar achtlos aber gut sichtbar auf dem Couchtisch herum, damit der Besucher, der noch etwas verlegen auf der Sofakante hockt, ehrfürchtig was zum Bestaunen hat, während er auf ein Glas Wasser/ein Tässchen Kaffee/ein Mixgetränk wartet.
Wunderschöne aber sterile, den Fotografen verselbstherrlichende Bilder ohne richtigen Text, am besten noch mit philosophischen Titeln, die keiner versteht. Nicht wirklich mein Ding.
Aber immerhin eine E-mail direkt an mich, mit Anrede und allem. Und Link auf eine Seite mit Beispielfotos.
Für die Mühe hat Herr Franken auf jeden Fall einen Klick auf den Link verdient. Außerdem habe ich vor ein paar Jahren schon mal eine sehr positive Entdeckung auf diese Weise gemacht (siehe den Artikel über Stephan Winkler). Ich schau einfach mal rein.
Schöne Bilder, wie zu erwarten. Bildband halt.
Ein weiterer Link zum Apulien-Portfolio. Gleich anschauen, Bilder am Computer blättere ich wiederum sehr gerne durch und Apulienbilder sowieso.
Wunderschöne Apulienbilder
Und da hat er mich überrascht, der Herr Franken. Die ersten Bilder finde ich „nur“ schön, Apulien at its best, wie man es von einem Fotografen ja auch nicht anders erwartet. Die Steilfelsen von Polignano, Trulli und Trullo-Dächer gen blauen Himmel.
Dann die ersten Detail-Bilder: Der Palazzo-Ducale von Martina Franca. Das Fries von Santa Croce in Lecce.
Und dann der türkische Gefangene, der seit dem 17. Jahrhundert mit steinerner Miene die öffentliche Zurschaustellung seiner Niederlage 1571 in Lepanto und das Gewicht der Fassade von Santa Croce schicksalsergeben erträgt. Meisterhaft dargestellt von den Lecceser Bildhauern und wunderbar fotografiert. Jetzt hat er mich in der Tasche.
Wer so ein Auge hat und in Apulien nicht nur drauflosballert, auf das es hübsch aussehe, sondern ein geschichtliches Detail so sprechend inszenieren kann, der hat wirklich etwas über Apulien zu erzählen.
Neugierig geworden, habe ich mir Herrn Frankens Webseite genauer angesehen, und noch eine interessante Überraschung entdeckt, nämlich sein wunderbares Profilbild.
Jetzt denke ich mir, wenn ich schon neugierig geworden bin auf mehr über und von diesem Herrn Raimund Franken, wird es Dich Leser und Apulienfreund vermutlich auch interessieren.
Und deshalb habe ich ihm ein paar Fragen gestellt, auf die er sich netterweise bereit erklärt hat, selbst zu antworten.
Er darf es sich aussuchen, ob in Wort oder Bild oder beidem.
Ein etwas anderes Interview.
1. Wer ist Raimund Franken?
Herr Franken, außer Ihrem sympathischen Profilbild und einer langen Liste beeindruckender Referenzen habe ich nicht viel persönliches über Sie gefunden. Dabei würde es mich brennend interessieren, ein bisschen mehr über Sie zu erfahren.
Begonnen hat meine Leidenschaft für Fotografie bereits als Jugendlicher.
Mein Vater war für viele Jahre verantwortlich für die Sonderschau Jugend fotografiert im Rahmen der PHOTOKINA. In dieser Zeit kamen in jungen Jahren heute berühmte Fotografen wie z. B. Thomas Höpker, zu uns nach Hause und haben ihre Fotos auf dem Wohnzimmerboden ausgebreitet.
Seit dieser Zeit fotografiere ich.
Begonnen habe ich mit meinem ersten „Fotoapparat“ Agfa Klick, einem absoluten Einfachmodell. Später hat mir dann mein Onkel seine „alte“ Leica überlassen, an der man noch alles manuell einstellen musste. Insofern habe ich viel über das Fotografieren lernen müssen.
Heute besteht einer meiner Foto-Schwerpunkte in Reisefotografie mit UNESCO Welterbe, Kultur und Kunst.
2. Was zeichnet Ihre Bilder aus?
Ich persönlich habe in Frankens Bildern eine liebevolle Aufmerksamkeit für Details, fundiertes Hintergrundwissen und Sinn für Humor entdeckt. Aber ich bin ein unwissendes Weib, vielleicht verstehe ich alles falsch. Soll er es uns doch am besten selbst erklären: Bitte, Herr Franken.
Ich arbeite mit einer Canon-Vollformat-Spiegelreflexkamera. Da ich Verträge mit einigen Bildagenturen habe, die meine Fotos anbieten, fotografiere ich immer auch die Highligts meiner Reiseziele.
Diese Fotos findet man jedoch in der Regel sehr häufig.
Deshalb – und weil es mir auch besondere Freude bereitet – suche ich immer nach dem „Besonderen“, um außergewöhnliche Fotomotive zu finden.
Diese entdecke ich manchmal per Zufall, wenn ich durch interessante Städte schlendere, manche suche ich jedoch nach akribischer Vorarbeit in der entsprechenden Literatur.
Für beides braucht mal viel Zeit und Muße.
So habe ich beispielsweise auch die Figur des türkischen Gefangenen hoch oben an der Fassade von Sante Croce in Lecce entdeckt.
Die Hauptarbeit beginnt jedoch immer noch nach einer Reise.
Zunächst muss ich eine überschaubare Auswahl aus der Vielzahl der aufgenommenen Fotos treffen.
Da ich meine Fotos im RAW-Format aufnehme, müssen diese alle noch „entwickelt“ und bearbeitet werden.
Ich ärgere mich immer, wenn ich in Publikationen fremde Fotos von Gebäuden mit stürzenden Linien sehe (es sei denn, dies ist als künstlerisches Mittel gewählt). Solche stürzenden Linien finden Sie bei meinen Fotos i. d. R. nicht, weil sie ein Bauwerk „verunstalten“.
Anmerkung: „Stürzende Linien werden auf Fotos vertikale Linien und Kanten genannt, die auf einen gemeinsamen Punkt zustreben, obwohl sie in der Realität parallel verlaufen.“(https://de.m.wikipedia.org/wiki/Stürzende_Linien)
3. Warum Apulien?
Apulien ist uraltes Kulturland und bietet landschaftliche und architektonische Höhepunkte: Sanft gewelltes Hügelland, Olivenbaum-Plantagen, kleine Fischerorte, idyllische Badebuchten mit glasklarem Wasser und faszinierende Landschaften wie z. B. den Nationalpark Gargano.
Wer zurück in die Vergangenheit eintauchen will, dem bietet Apulien eine Vielzahl historischer Stätten, die von ihrer antiken Kultur erzählen: von der Vorgeschichte über die Magna Graecia und die römische Kaiserzeit bis zur Renaissance und dem Prunk des Barocks.
Was will man mehr?
4. Bitte erzählen Sie uns von Ihren Entdeckungen, Einblicken und Erlebnissen in Apulien!
Hier ein paar Eindrücke in Bildern, eine kleine Auswahl aus meinem Bildband:
Polignano a Mare klebt wie ein Schwalbennest an den Klippen der Adriaküste.
Die Aufnahme entstand bei etwas bedrohlichem Himmel und einigen wenigen Sonnenstrahlen.
Zwei umfunktionierte „Kleintransporter“ mitten in der Altstadt von Gallipoli.
Eine steile Treppe führt von einer Gasse hinunter in die historische Ölmühle. Tief unter der Altstadt von Gallipoli liegen ausgedehnte Höhlen mit mächtigen Mahlsteinen, die über Querbalken und mit Eselskraft bewegt wurden.
Ein dichtes Netz an Gassen findet man in Matera, in der Basilikata. Die Felsenkirchen und die weltweit berühmten „Sassi“ – altertümliche, in Felsen gegrabene Wohnsiedlungen – wurden 1993 in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Zu den ältesten und wichtigsten Bereichen gehört das Viertel Civita mit dem romanischen Dom.
In der Kathedrale San Valentino in Bitonto zeigt das Kanzelrelief an der Außenseite des Aufganges vier staufische Herrscher: Friedrich Barbarossa, seinen Sohn Heinrich, Friedrich II. und seinen Sohn Konrad IV – eine der wenigen Abbildungen des berühmten Staufer-Kaisers Friedrich II, nach der ich erst etwas suchen musste.
Tranis einzigartige romanische Kathedrale S. Nicola Pellegrino am Meer ist seit Jahrhunderten ein leicht erkennbares Wahrzeichen für die Seefahrer auf dem Adriatischen Meer. Die Kathedrale zählt zu den schönsten in ganz Italien. Das Foto gelang mir bei Sonnenaufgang.
Neben einigen langen Stränden wird der Gargano vor allem von vielen kleinen Buchten und Kalkfelsen umfasst. Hoch ragen diese riesigen Kalkfelsen empor, geformt von den Gezeiten über Jahrhunderte hinweg mit kleinen Höhlen in den Felswänden.
An einigen Küstenabschnitten des Gargano ragen Pfahlbauten aus den Klippen, die sogenannten Trabucchi. Diese Holzkonstrukte haben Fischer und Bauern bereits im Mittelalter entlang der adriatischen Küste errichtet und zum Fischfang mit Netzen genutzt.
5. Zum Schluss bitte noch ein paar Insider-Tipps und Empfehlungen für Apulienreisende!
- Interessant zu wohnen war es mitten in der Altstadt von Lecce in dem alten Palazzo Celestini direkt gegenüber von Santa Croce (B&B). Hier gibt es nur drei Zimmer. Das Schönste geht zum Innenhof hinaus. Frühstück gab es im nahegelegenen Cafe, von einem älteren Ehepaar höchst liebevoll zubereitet. Für Lecce sollte man sich übrigens ausreichend Zeit nehmen. Die Stadt eignet sich auch als Standort für Besuche naheliegender Orte.
- Etwas abseits von den Hauptrouten liegt die ruhige Barockstadt Nardò mit einem der schönsten Plätze in Apulien, der Piazza Salandra mit der hohen Säule Guglia dell‘ Immacolata und der Chiesa San Domenico, deren Außenfassade reich mit barocken Elementen und kuriosen Figuren geschmückt ist. Auf dem Platz gibt es ein nettes Cafe mit wundervollem Ausblick.
- Wer an historischer Kunst interessiert ist, sollte sich das Museo Archeologico Nazionale in der Neustadt von Taranto ansehen. Hier kann man eine der bedeutendsten archäologischen Sammlungen Süditaliens bewundern. Es beherbergt auch den berühmten Goldschatz von Taranto, eine einmalige Sammlung von kostbaren antiken Schmuckstücken.
An dieser Stelle ein herzliches Arrivederci an Herrn Franken.
So, ich hoffe, du fandest Herrn Franken und seine Apulien-Fotos ebenso interessant wie ich und hast Lust bekommen, in den Bildband hineinzuschnuppern bzw. gleich zu bestellen. Das geht dann hier: zum Bildband.