Wenn man nicht so wie ich ein Faschingsmuffel ist, für den das Highlight der Faschingszeit der Aschermittwoch ist, sondern wenn man Spaß and Karnevalsumzügen und -feiern hat, dann gibt es in Italien durchaus Alternativen zum Rheinland:
Einer der ältesten Karnevale Europas
In Putignano in der Provinz Bari wird seit 618 Jahren Karneval gefeiert, er beginnt am 26. Dezember (dem Tag des Hl. Stefan) und vom 17. Januar (Tag des Hl. Antonius) bis zum Faschingsdienstag gibt es jede Woche mindestens einen Karnevalstermin. Begonnen hat das ganze im Jahr 1394, als der Ritterorden der Malteser beschloss, die Reliquien des Hl. Stefan von Monopoli nach Putignano zu verlagern, um sie besser vor den Angriffen der Sarazenen zu schützen. Beim Einzug der Reliquien ließen die Bauern alles stehen und liegen und eilten herbei, um die Ankunft der heiligen Überreste zu bestaunen und zu feiern. Diese Feiern, mit spontanen Gesängen und Gedichten in Mundart, wurden seitdem jedes Jahr wiederholt und der Carnevale di Putignano ist mittlerweile mit Viareggio und Venedig einer der beliebtesten Karnevale Italiens. Die uns bekannte „klassische“ Form des Faschings mit dem Umzug allegorischer Wägen wurde allerdings erst während des Faschismus in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts eingeführt.
Bitte um Vergebung der kommenden Sünden
Um das Seelenheil auch in der närrischen Zeit nicht zu gefährden, ist es in Putignano Brauch, am 26. Dezember in die Kirche zu gehen, eine Kerze zu stiften und vorsorglich für den Erlass der Sünden zu bitten, die man in den kommenden Wochen im Karneval zweifelsohne begehen wird (ein sehr praktischer und weiser Brauch, wie ich finde, und wie passend für die menschliche Unzulänglichkeit, gar nicht erst davon auszugehen, dass man den Fasching sündenfrei überstehen könnte!).
Ab dem 17. Januar wird jeden Donnerstag eine andere gesellschaftliche Gruppe auf die Hörner genommen: Die Monsignori, die Pfarrer, die Nonnen, die Witwen, die „Verrückten“ (die jungen, noch nicht verheirateten Männer), die verheirateten Frauen, die Gehörnten (die verheirateten Männer) – in dieser Reihenfolge. Vor allem letzterer wird bis ins Detail ausgearbeitet und gefeiert, dafür ist – wie könnte es anders sein – die „Akademie der Hörner“ zuständig. Jeder dieser Donnerstage wird von den typischen Sagre, mit Theater- und Musikaufführungen und verschiedenen lustigen Aktionen begleitet.
Am Faschingsdienstag wird nach dem Umzug der Fasching in Form eines Schweines zu Grabe getragen.
Um die eigentlichen Karnevalsfeiern herum sind mittlerweile eine Vielzahl anderer Aktivitäten entstanden, Soziologen und Psychologen und Volkskundler bieten Workshops und Vorträge zum Thema an, die Kinder in den Schulen machen Karnevals-Projekte, deren Ergebnisse in die Karnevalsaktivitäten einfließen, wohltätige Initiativen tragen den Fasching in die Krankenhäuser (nicht einmal da ist man mehr sicher 😉 !), es gibt Fotoausstellungen, Wettbewerbe, Slow Food – Dinner, usw. Falls es Ihnen im Februar zu kalt ist: Wie bei den Olympischen Spielen gibt es zur Karneval-Winterversion auch die „Sommerspiele“: Fasching wird in Putignano auch im Juli gefeiert, mit Umzug und allem!
Weitere Spezialitäten in Apulien: Verkleiden Sie Ihr Wohnmobil oder Ihren Fiat 500
Außer in Putignano wird in zahlreichen weiteren Gemeinden Fasching gefeiert (siehe auch unter „Sagre und Feste“), unter anderem gibt in Massafra in der Provinz Tarent am letzten Faschingssonntag einen Umzug der Wohnmobile, und in der Trullo-Metropole Alberobello startet am selben Tag eine Tour der Fiat 500 durch die Provinz Bari, mit Mittagessen in Polignano, Prämierung der schönsten Verkleidungen von Auto und Fahrbesatzung sowie Burgbesichtigung in Mola di Bari.
Während mich sicher keiner zum Karneval nach Putignano kriegt, so toll dieser auch sein mag, reizt mich die Tour im 500 schon sehr… mal sehen, ob unserer noch rechtzeitig aus der Werkstatt kommt.