Nachdem wir im ersten Teil einen groben Überblick über die Herkunft der Messapier erhalten haben, ist es Zeit, sich ihre Kultur etwas näher anzusehen. Wie und wo genau lebten sie, was ist über ihre Sprache, Gewohnheiten und kulturellen Besonderheiten überliefert? Danny Vitale und Antonio Mingolla vom Gruppo Archeologico Brindisino (www.archeobrindisi.it) begleiten uns auch diesmal wieder in die Welt der Messapier (mit freundlicher Genehmigung von Brindisiweb.it).
Die Messapier, zweiter Teil
Die messapische Kultur und die Siedlungen
Die messapische Kultur
Anfangs lebten die Messapier in Stammesgruppen, später finden sich deutliche hellenistische Einflüsse, besonders nach der Gründung von Tarent im Jahr 706 v. Chr. Auch die Sprache der Messapier, zunächst illyrisch geprägt, wurde in der Folgezeit lakonisch-tarantinisch. Die Art der Schrift lässt sich in zwei Phasen unterteilen: die archaische und die klassische, die sich sowohl von der Richtung als auch von der unterschiedlichen Proportion der Buchstaben her unterscheiden. In den verschiedenen Museen des Salent finden sich ca. 350 messapische Inschriften, nicht immer einfach zu verstehende Texte, besonders die aus der archaischen Zeit. Ein großer Forscher der messapischen Inschriften war Francesco Ribezzo (bedeutender Archäologe und Sprachwissenschaftler – 1875 -1952), dem das Museo Provinciale von Brindisi gewidmet ist.
Wie oben angedeutet, lebte das Volk der Messapier ursprünglich nicht in richtigen Städten, sondern besiedelten das Land dünn in kleinen, in Hütten lebenden Gruppen. Die Hüttenbewohner versammelten sich nur in den befestigten Zentren, um sich gegen feindliche Angriffe zu verteidigen oder um Feste und Riten zu feiern. Nach den Studien von Hyppodamos von Milet machte sich der griechische Einfluss im messapischen Städtebau erst im VII. Jahrhundert vor Christus bemerkbar.
Auch die Religion war von der hellenischen beeinflusst, und besonders stark wurde der Kult der Göttin Demetra gefeiert, Göttin des Korns und der Landwirtschaft. Eines der wichtigsten, der Göttin und ihrer Tochter Persephone gewidmeten Heiligtümer befand sich in der Nähe des Monte Papalucio in Uria, dem heutigen Oria.
Die Verstorbenen wurden zunächst begraben und mit Steinhaufen bedeckt, erst nach dem VII Jahrhundert v. Chr. begannen die Bestattungen in unterirdischen Gräbern, Kammergrab bzw. Halbkammergrab genannt; dem Verstorbenen wurde eine Münze in den Mund gelegt als Obulus für die Überfahrt in das Jenseits, wie es bereits in der griechischen Kultur üblich war.
Messapische Vasen: Krater, Skyphos, Trozella, Kalathos
Das Symbol dieses Volkes ist die Trozella geworden, die typische Form der messapischen Keramikgefäße. Es handelt sich um eine ellipsenförmige am Fuß mehr oder weniger verjüngte Amphore, mit hohen bandförmigen vertikalen Henkeln, oben und am Bauch mit vier plastischen „trozze“ oder Rädchen versehen, die dekorative geometrische Elemente wie Kreise, Schachbrett, Quadrate und Dreiecke neben Pflanzenmotiven wie Blumen und Blätter aufweisen. Die Trozella wurde im Salent im VII. und VIII. Jahrhundert v. Chr. hergestellt und stand unter dem proto-geometrischen Einfluss, der in Mykene 1050 v. Chr. entstanden war. Ein weiteres Beispiel für messapische Keramik sind die kleinen Webstuhlgewichte oder „Piramidetti“ (kleine Pyramiden).
Die messapischen Siedlungen in Brindisi
Die Überreste messapischer Siedlungen sind in weiten Teilen des Salent verbreitet. Unter den wichtigsten sind, in zufälliger Reihenfolge, Brindisi (Brention), Oria (Orra), Valesio (Valesium), Muro Tenente (Scamnum – Ausgrabungsstätte zwischen Latiano und Mesagne), Ceglie Messapica (Kaìlia), Egnazia (Gnathia), Nardò (Neriton), Manduria (Mandyrion), Lecce (Rudiae), Cavallino (Sybar Sallentina), Otranto (Hydruntum), Vaste (Bastae), Alezio (Alixias), Gallipoli (Anxa), Ugento (Ausentum), Roca Vecchia, Muro Leccese und Soleto. In der Provinz Brindisi gab es weitere messapische Funde in Pezza Petrosa im Gemeindegebiet von Villa Castelli, in Francavilla Fontana, und im Gebiet Castello d’Alceste der Gemeinde San Vito dei Normanni.
Die Messapier siedelten in Brindisi um das XI und XII Jahrhundert v. Chr. Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass der Name der Stadt Brindisi, Brention in messapisch, von der verzweigten Konformation ihres Hafens abzuleiten ist, in „Form eines Hirschkopfes“, der auch heute noch, zusammen mit der römischen Säule, das Symbol der Stadt ist.
Der natürliche Hafen von Brindisi in Form eines Hirschkopfes („testa di cervo“)
Wenig bleibt von der antiken Stadt Brention, heute zu großen Teilen unter den Schichten der verschiedenen Epochen begraben. Die städtische Ansiedlung entwickelte sich auf dem westlichen Hügel des inneren Hafens, verteidigt von megalithischen Mauern die den Höhenunterschied zu den niedriger gelegenen Teilen des Hafens nutzten, wie z.B. die heute noch sichtbare Strecke zwischen Corte Capozziello und Via Pasquale Camassa. In der Folgezeit wurden diese Mauern von den Römern verstärkt. Ein weiterer ähnlicher Mauerteil wurde 1877 in der Piazza Sedile entdeckt.
In Brindisi wurden mehrere Gräber aus messapischer Zeit gefunden, anhand deren Grabbeigaben man feststellen konnte, wie stark der Einfluss der Magna Grecia war, die in gewisser Weise die Entwicklung der messapischen Kultur begrenzt hat. Im Januar 1955, während der Aushebungsarbeiten für das Fundament eines Hauses in Via Bari, Ecke Via Gallipoli, fanden die Arbeiter drei Platten aus hartem Tuffstein, es handelte sich um eine messapische Grabstätte des V Jahrhunderts v. Chr., mit starken Einflüssen der Magna Grecia. Als die Platten unter allgemeinem Bangen im Beisein der Arbeiter und von sich um die Fundstelle versammelten Neugierigen angehoben wurden, kam ein vollständig erhaltenes Skelett zum Vorschein, mit einer reichen Ausstattung von Vasen an den Seiten und zu den Füßen. Heute ist diese Grabbeigabe, bestehend aus 13 Stücken, in der Messapischen Abteilung des Museo Archeologico Provinciale „F. Ribezzo“ von Brindisi (MAPRI) aufbewahrt und ausgestellt. Das wichtigste Fundstück ist der wundervolle Stangenhenkelkrater (Kelebe), der mit roten Figuren auf schwarzem Grund bemalt ist. In einem der beiden Kästen ist der bärtige Dionysos abgebildet, in einer langen Tunika mit breitem Faltenwurf, ihm voran am Altar – der im Hintergrund abgebildet ist – Satyr mit der Zither in der Hand, gefolgt von Bacchant, während auf dem gegenüberliegenden Kasten drei Figuren zu sehen sind, in der Mitte ein männlicher Jugendlicher und seitlich zwei bärtige in Mäntel gehüllte Gestalten, beide auf lange Stöcke gestützt.
Unter den anderen Fundstücken sind eine Trozella, größer als normal, aus gelb-rötlichem Ton mit rotbraunen Dekorationen aus geometrischen und pflanzlichen Motiven, und eine tassenförmige Schüssel (Skyphos), glänzend schwarz lackiert und mit roten Figuren verziert, die auf beiden Seiten Palästrid bei gymnastischen Übungen darstellen; dies erlaubt den Rückschluss, dass der Besitzer des Grabes ein preisgekrönter Sportler oder ein Anhänger des Sprungspieles war. Unter den Grabbeigaben waren auch Bronzefundstücke wie ein zylinderförmiger Behälter (Ciste) mit doppeltem halbkreisförmigen Henkel und eine Kanne aus Bronze (Oinochoe).
Ein weiteres wichtiges Beispiel eines messapischen Grabes aus dem IV Jahrhundert vor Christus kommt aus der Ausgrabungsstätte von Valesio und ist vollständig im MAPRI erhalten: auf einer der inneren Platten ist ein Rechteck mit einer demetrischen Fackel darüber eingraviert, mit im Inneren der messapischen Inschrift Tobaroas Damatrioas, was „(Grab) der Priesterin Demetras“ bedeutet.
MAPRI: Grabplatten und Grab aus Valesio und Grabplatten aus anderen Ausgrabungsstätten aus messapischer Zeit. Rechts das Rechteck mit der darüber eingravierten demetrischen Fackel im Inneren des Grabes |
Hinsichtlich der anderen Funde aus Brindisi, die im Archäologischen Museum ausgestellt sind, ist ein Grabstein aus hartem Stein mit messapischer Inschrift erwähnenswert, die in Via Bettolo gefunden wurde, sowie ein Stangenhenkelkrater aus dem V-VI Jahrhundert v. Chr., der in einem weiteren Grab in Via Lauro gefunden wurde. Ein weiterer Grabstein mit messapischer Inschrift wurde im Tempel San Giovanni al Sepolcro im Jahr 1765 gefunden, ging aber später verloren.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in Via Tor Pisana eine proto-korinthische Nekropole entdeckt (erste Hälfte des VII Jh v. Chr), eines der ältesten Zeugnisse der Stadt Brindisi. Es wurden zwei Ausgrabungen durchgeführt: Während der ersten wurden fünf Gräber entdeckt, in ihrem Inneren fand man Teller, Tassen, Vasen und Amphoren, während man bei der zweiten Ausgrabung 23 Gräber mit kleinen Vasen, Fibeln, Trozellen und einem altapulischen Krater fand. An derselben Stelle fand man in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts drei Gräber mit Feuerbestattung und eines mit Grabbestattung. Besonders interessant war der Pythos mit im Inneren fünf kleinen Aryballoi-Vasen. In den 60er Jahren fand man weitere Gräber mit vier kleinen Vasen.
PS: Ich hoffe, dass sich keine Fehler in die Übersetzung der archäologischen Fachausdrücke eingeschlichen haben, falls Sie doch welche gefunden haben, melden Sie es bitte!