Wie ist Apulien im Winter? Lohnt es sich, jetzt dort hinzufahren? Was gibt es zu sehen oder zu unternehmen? Schauen wir doch mal!
Eine metereologische Wundertüte
Achtung: Wenn Du es gerne richtig klirrend kalt magst, mit Eis und Schnee und gemütlichen Teestunden in einer warmen Wohnung, dann ist der apulische Winter nichts für Dich.
Die Temperaturen sind mit um die 10 Grad meistens mild. Ab und zu wird es sogar richtig lauwarm bei bis zwanzig Grad. Das hat zur Folge, dass beispielsweise die Mimose mit ihrer Blüte gar nicht bis Anfang März wartet, sondern uns schon Wochen früher mit ihren goldgelben Blütenkugeln beglückt.

Wenn der Winterwetter-Gott es mal krachen lassen will, dann schickt er uns für ein paar Tage orkanstarke Winde, sturzbachartige Regenfälle, überschwemmte Felder und umgeworfene Bäume, aber nur selten ein bisschen Schnee, der bis in die Ebenen kommt und dort länger als eine halbe Stunde liegen bleibt.
Deshalb ist ein Tag Schneefall wie Ende 2014 oder gar zwei Tage Schnee am Stück im Salent wie dieses Jahr (2017) eine große Besonderheit, die zu Riesenspaß bei den Kindern und Riesenproblemen im Verkehr geführt hat. In vielen Gemeinden hatten die Schulen den 9. und 10. Januar schneefrei.

In den letzten fünfzehn Jahren gab es tatsächlich nur zweimal „richtig“ Schnee an der Küste, einmal am 30.12.2014 für eine Nacht und einen halben Tag, und jetzt im Januar 2017.

Sonst durfte man einmal im Jahr, meistens im März, auf einen halben Tag feuchtes Schneegestöber hoffen, das das satte Grün für ein paar Minuten weiß überzuckerte. Etwas höher in der Murgia, z.B. in Locorotondo oder Alberobello, schneit es zwar schon immer etwas häufiger, aber als Wintersportregion hat Apulien bis jetzt noch nicht von sich reden gemacht… Dafür sieht es natürlich besonders nett aus, wenn auf den zipfelmützigen Trulli auch noch eine weiße Haube liegt.
Abgesehen von diesen wirklich kurzen Episoden von klassischer Winterstimmung ist die Zeit von November bis März in Apulien keine stille Zeit und keine wirkliche Pause zwischen den „lebhafteren“ Jahreszeiten, wie es in Mittel- und Nordeuropa der Fall ist.
Im Gegenteil, die Unbeständigkeit des Wetters und das recht schnelle Wechseln macht den Winter zu einer eher unruhigen Zeit. In Anlehnung an Forrest Gump könnte man sagen, der apulische Winter ist wie eine Pralinenschachtel, man weiß nie, was man bekommt.
Wenn Du Deinen Koffer packst: nach dem Zwiebelprinzip
Da das Wetter so launisch sein kann, solltest Du vom T-Shirt bis zum Wollpulli alles mitnehmen. Eine ordentliche Wind- und Regenjacke sowie wasserdichte Schuhe solltest Du auch dabei haben. Viele Auswärtige sind nicht richtig gekleidet, weil sie den Effekt von Wind und Feuchtigkeit auf das Temperaturempfinden unterschätzen. Außerdem wirst Du vermutlich oft drinnen mehr frieren als draußen. So verfroren die Apulier sind – viele rennen bei 15 Grad mit Schal und Mütze herum – so schlecht geheizt sind komischerweise ihre Häuser.
Du kannst davon ausgehen, dass sich alle paar Tage – und manchmal sogar innerhalb desselben Tages – vier Wetter-Typen abwechseln:
Typ 1) Die richtigen Stürme, heftigen Winde und Regengüsse, manchmal auch mit Hagel oder Schneegestöber. Hier sind die Temperaturen gerne einmal zwischen 0° und 5°C ==> wasserdichte Schuhe!
Typ 2) Mildes, fast frühlingshaftes Wetter mit Temperaturen bis 20° C und Sonnenschein (bei Scirocco, dem warm-feuchten Südostwind) ==> T-Shirt!

Typ 3) Kühles, klares Wetter mit schneidendem Nordwind bei dem die Sonne strahlt und die Farben intensiv leuchten (bei Tramontana oder Maestrale, dem Nord- bzw. Nordwestwind) bei Temperaturen unter 10° ==> Sonnenbrille, warme Jacke und Mütze!
Typ 4) Graue, feuchte Tage mit Nieselregen oder Nebel bei Temperaturen um die 10° C ==> Kuschelpulli.
Das mild-feuchte Klima im Winter sorgt dafür, dass viele Pflanzen ihr Laub auch im Winter behalten. Die laubwerfenden Bäume und Sträucher sind erst im Januar oder Februar richtig kahl, bis sie dann oft nur wenige Wochen später wieder austreiben. Es gibt auch Blumen und Sträucher, die es gerade jetzt erst so richtig mögen und im Winter blühen – aus irgendeinem Grund hauptsächlich Weiß- und Gelbblüher.

Am häufigsten sieht man auf den Feldern die „Acetosella“, ein leuchtend gelb blühender Waldsauerklee, der in riesigen Flächen schon von weitem leuchtet. In den Gärten findet man oft eine ebenfalls leuchtend gelbe kletternde Greiskraut-Variante (Senecius Angulatus) und den gelben Winterjasmin.
Die Farben des apulischen Winters sind Grau-, Braun- und Silbertöne, die sich mit satten, tiefen Grüntönen abwechseln, geschmückt mit den weißen und gelben Blüten der Wildblumen. Das Licht reicht von diffusem Perlgrau über tintendunkles Sturmgrau bis zu einem transparenten, klaren Winter-Sonnen-Gelb.
Je nach Tagesstimmung ändert sich auch die Farbe des Meeres: leuchtendes, sattes dunkelblau mit weißen Krönchen, geschlammtes Smaragdgrün mit hohen Wellen, stumpfgrau und ölig, oder bleigrau und aufgewühlt mit meterhohen Wellen und gischtspritzend.
Winter in Apulien: lohnt sich das?
Wenn Du Apulien unverstellt und authentisch erleben möchtest, solltest Du im Winter herkommen, denn jetzt bekommst du einen guten Einblick hinter die Kulissen.
Du solltest allerdings neugierig und selbständig sein und keine Berührungsängste haben. Denn Du bist auf Dich allein gestellt, es gibt kein Filter zwischen Dir und den Apuliern und ihrem Alltag. Alles, was nur für auswärtige Besucher öffnet und stattfindet, wird geschlossen – vom Strandbad zum Restaurant und Hotel. Der Touristenzauber und die ganze Urlauberdeko wird weggepackt und bis zum nächsten Jahr eingemottet.
Die Kehrseite davon ist, dass kosmetische Maßnahmen wie Müllbeseitigung im Winter noch schlechter funktionieren. Die meisten Strände sind deshalb leider im Winter völlig verdreckt.
Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren pendler- und schülergerecht. Keiner denkt an den Besucher, der nach zwei Stunden nicht mehr weiß, wohin mit sich und woandershin oder ins Hotel möchte. Organisierte Ausflüge gibt es zwar, aber viel weniger als im Sommer, und fast gar nicht in Fremdsprachen.
Im Winter ist Apulien untouristisch und die Städte gehören dem Alltag: Vor den Schulen bilden sich zwischen acht und halb neun und um die Mittagszeit riesige Autoschlangen. Die Passanten sind dick vermummt, meistens in dunkle Wintergarderobe gehüllt und schlendern in der Wintersonne oder stemmen sich gegen die steifen Winde.
Die Mittagspause in den Geschäften ist etwas kürzer und der Ladenschluss eine halbe oder ganze Stunde früher als im Sommer. Sportler joggen und radeln bei allen Witterungen durch die Orte, auf den Landstraßen und in den Parks. Meistens sind sie dick verhüllt in Thermokleidung und mit Mütze und Schal.
Was kannst Du in Apulien im Winter unternehmen?
Dem Urlauber bleibt im Winter nichts anderes übrig, als die gleichen Dinge zu unternehmen, wie die Apulier:
Du kannst wunderbare Spaziergänge unternehmen (ignorier den Müll, wenn Du kannst), ans Meer oder auf dem Land. Außerdem gibt es einige Vereine, die interessante Wanderangebote organisieren, hauptsächlich an Wochenenden und Feiertagen. Hier findest Du Events und Ausflüge, die ich teile, sobald sie mir über den Radar laufen.
Pass bei Deinen Ausflügen auf, dass Dein Auto sicher und/oder unter Deiner Beobachtung abgestellt ist. Sonst ist es schnell weg oder aufgebrochen.
Vor allem die größeren Städte haben ein interessantes Kulturangebot an Theateraufführungen und Konzerten. Ausstellungen und Museen sind oft leer – wenn man nicht gerade mit Schulklassen kollidiert…
Essen und Trinken: Im Winter ist das Essen und der Service in vielen Restaurants, Kneipen und Trattorien qualitativ hochwertiger als im Sommer. Die Atmosphäre ist familiärer und entspannter und oft sind auch die Preise niedriger. Du kannst Dich in Ruhe von der apulischen Küche verwöhnen lassen, oder in den Enotheken schöne Weine probieren.
In kleinen Küstenorten wie Otranto oder Gallipoli kann es im Winter allerdings schwierig sein, überhaupt etwas zu Essen zu bekommen. Sogar in Alberobello wird es im Winter stiller.
Ein schöner Winterreisebericht über Apulien mit wunderbaren Fotos erschien neulich bei kraut-kopf.de.
Rape, Cicorie, Carciofi
In der Landwirtschaft ist jetzt eine Zeit intensiver Arbeit: Die Felder und Obst- und Olivenhaine werden für das kommende Jahr fit gemacht.
Überall sieht man frisch getrimmte Oliven-, Feigen- und Obstbäume. Woanders stehen noch die Arbeiter mit Motorsägen auf Leitern in den Bäumen oder zwischen mannshohem Rückschnitt.
Auf den Artischockenfeldern tummeln sich die Pflücker. In den Weinfeldern gehen die Landwirte, mit einer kleinen scharfen Schere und Schnur bewaffnet, durch die Reihen. Sie stutzen, stützen und binden, und schließlich stehen die vorher strubbeligen Weinstöcke wieder zackig und ordentlich in Reih und Glied.
Häufig riecht es nach Rauch und Holzfeuer, denn meistens wird das Holz gleich auf dem Feld verbrannt. Abends duftet es vor allem in den kleineren Orten nach Kaminfeuer.
Der Winter ist die Zeit der deftigen Gemüsesorten:
- Spinat,
- Mangold,
- rape (Stängelkohl, nicht verwechseln mit Raps),
- verschiedene Wegwarten-Arten (it. cicoria, in Deutschland kennt man aus dieser Familie Chicorée, Zuckerhut und Radicchio)
- Salate,
- Kohlsorten wie Brokkoli, Blumen- und Spitzkohl.
Und natürlich gibt es carciofi, die kleinen schmalen Artischocken, nicht die riesigen dicken französichen. Ein paar Sorten werden gerade groß genug, um sie mit ein, zwei Esslöffel Füllung zu stopfen. Dagegen sind andere so klein und zart, dass sie nicht größer sind als eine Walnuss.
Typische Wintergerichte sind zum Beispiel:
- Orecchiette mit Stängelkohlspitzen (die berühmten Cime di Rapa),
- Püree von dicken Bohnen mit Wildgemüse (purea di fave con cicorielle),
- kräftige Eintöpfe mit Hülsenfrüchten und Muscheln
- Nudeln mit Blumenkohl oder Brokkoli.
Auf den Tisch kommen als Zwischengang zum Knabbern roher Fenchel und Zichorie-Triebe (puntarelle).
Da es im Winter klassischerweise keine frischen Tomaten gibt (nur aus dem Gewächshaus), behilft man sich oft mit den penduli. Diese gelben, orangenen oder hellroten Tomaten reifen im Herbst und werden in Bündeln zum Trocknen aufgehängt. Durch ihre späte Reife und das Trocknen bekommen sie einen besonders intensiven Geschmack.
Als Selbstversorger kannst Du Dich auf den Märkten bei frischem Gemüse und Obst austoben, vor allem die Zitrusfrüchte sind jetzt unglaublich gut und günstig.
Fazit
Die Nachteile eines Winterurlaubes sind: schlechtere Flugverbindungen, viele rein touristische Angebote sind geschlossen bzw. werden nicht durchgeführt, mehr Dreck, oft schlecht beheizte Räume.
Dafür hast Du folgende Vorteile: Gutes Essen, meistens gutes Wetter für Wandern, Radfahren und Spaziergänge, wenig Andrang bei Sehenswürdigkeiten, Ruhe.
Der Winter in Apulien ist eher nichts für Dich? Dann könnte Dir Apulien im Frühling, Sommer oder Herbst gefallen.
Hallo Anja, du hast Recht, was die Mehrfamilienhäuser betrifft. Hier ist tatsächlich die maximale Heizzeit und -temperatur gesetzlich festgelegt. So dürfen z.B. in Tarent oder Lecce die Heizungen nur vom 15.11. bis zum 31.3. angestellt werden, für maximal 10 Stunden am Tag und für eine Temperatur zwischen 20 und 22 Grad.
Für Gebäude mit unabhängiger Heizung gilt das jedoch nicht, da heizt jeder, wie er es braucht oder will. Und in der Tat ist es oft viel kühler als 20 Grad, vor allem in den hohen Altbauten oder Häusern auf dem Land. Die ordentlich zu heizen ist wirklich schwierig.
Heizen ist in Italien gesetzlich geregelt, da das Land über keine eigenen Energieträger als Rohstoffe verfügt. Es gibt verschiedene Zonen, nach denen sich die erlaubte „Heizzeit“ pro Tag staffelt, in Süditalien z.B. darf nur zwischen 8 und 10 Stunden pro Tag geheizt werden. In ganz Italien sind nicht mehr als 21 Grad gestattet.
Also im Winter nie ohne Strickjacke nach Apulien.