Herbst in Apulien - Granatapfel

Herbst in Apulien

Ab wann ist Herbst in Apulien? Ich kann gar nicht genau sagen, wann der lange, heiße apulische Sommer eigentlich vorbei ist. Manchmal kommt es uns so vor, als wäre er schon gleich nach dem 15. August, der großen Sommerzäsur Ferragosto, zu Ende. Die meisten Touristen und Norditaliener auf Sommerurlaub packen ein, ein paar windige Tage bringen etwas Abkühlung und es wird deutlich leerer an Apuliens Stränden.

Aber auch wenn die Tage anfangen, kürzer zu werden, ist es immer noch so warm, dass die Fenster tags geschlossen und nachts geöffnet werden.

Dann beginnt die Schule. Mitte September, für ältere Apulier unanständig früh. Bis zum 1. Oktober waren früher die Sommerferien, und das war gut so. Wir sind doch hier nicht in Dänemark, hier ist es HEISS! Die armen Kinder!

Das Licht wird goldener, manchmal ist der Tagesbeginn bzw. der Abend so frisch, dass man gerne eine leichte Jacke trägt, oder ein Halstuch.

Oktober: ab und zu ist ein Bad im Meer schon noch drin

Anfang Oktober: Picknick am Strand, ohne Badesachen. Jetzt ist es doch wirklich schon Herbst. Blöd gedacht! Die Kinder und der Gatte springen dann halt in Unterwäsche ins Meer – meine war in nude, so nennt man ein komisches beige heute, und denkbar ungeeignet zur öffentlichen Beschau.

Immerhin: ab Mitte Oktober sind die Fenster tagsüber offen und nachts zu, die Temperatur im Haus ist mittlerweile von den kuscheligen 28 Grad auf gerade so angenehme 23 gefallen.Wir reden darüber, die Heizung probelaufen zu lassen, damit wir bei einem plötzlichen Kälteeinbruch nicht samstagabends in der Kälte sitzen. Wir kaufen 40 Säcke Pellets. Tagsüber kann man getrost noch im T-Shirt herumlaufen, die Schulkinder sind noch „grembiule (Schulkittel-)-frei“.

Ab jetzt geht es allerdings schneller: Am 1. November sind draußen und drinnen 18 Grad, die Devise lautet „Socken an“. Die Heizung läuft probe, sie springt an und wieder aus, nichts zu machen. Der Installateur wird diese Woche noch vorbeikommen und bei einer Tüte Tropifrutti versuchen, sie wieder in Gang zu setzen. Meistens reicht sein fachmännischer Blick, die Heizung schnauft und läuft, hoffentlich auch diesmal wieder.

Der erste November ist klassischerweise auch der Tag, an dem im Süden die Heizungen eingeschaltet werden durften, als diese noch zentral in den Mehrfamilienhäusern bedient wurden. Mittlerweile hat jeder Haushalt seine eigene Gasheizung und die Kommunen verdienen sich durch die jährliche Instanthaltungsgebühr ein paar Steuergelder dazu (den Techniker muss man dann noch extra bezahlen, ist klar, oder?).

Klassische Herbstunternehmungen

Die Mütter lassen Whatsapp heißlaufen, um sich für die castagne zu verabreden: das Wochenende in den Bergen der Basilikata oder Kalabriens, wo die ganze Familie, am besten im Verbund mit 4-5 anderen, Ess-Kastanien suchen geht (wer noch eine Business-Idee sucht, sollte an einen Agriturismo mit eigenem Kastanienhain denken, die boomen wie verrückt). Noch eine kleine Sagra im Dorf, und alle kommen glücklich und verschnupft nach Hause (im Herbst ist auch Erkältungszeit, alle husten und schnupfen).

Halloween wird mittlerweile auch gerne gefeiert, mit der klassischen Kostümparade auf dem Corso und Mutti-begleiteten Kindergruppen, die in den Geschäften „dolcetto o scherzetto“ rufend einfallen.

Auf dem Land und in den kleineren Städten duftet es jetzt allenthalben nach Kamin, die Luft ist frizzante, und die Pilz- und Herbstgemüse-Sagren halten die Feierlustigen und Genießer auf Trab. Ab dem 11. November kann man überall den vino novello probieren, abends fröstelnd durch weiße Gassen schlendern und sich die Hände an einem Tütchen heiße Kastanien wärmen.

Herbststimmung

Passend dazu drehen hunderttausende Zugvögel ihre Runden über den Stadträndern und verdunkeln den Himmel mit ihren wechselnden Formationen.

Vogelschwarm

Gar nicht so übel, der Herbst. Farblich können wir zwar nicht mit flammenden Blätterfärbungen aufwarten, aber dafür blühen hier noch munter Hibiskus, Bougainvillea und Rosen, die Luft ist frisch bis mild und der Himmel von einem fröhlichen Blau.

Herbst in Apulien Blüten

Was es mit den Glückwünschen am 11. November auf sich hat

Wenn man gute, frotzelresistente Bekannte hat, dann darf man denen am 11. November auch gratulieren: es ist San Martino, la festa dei cornuti, das Fest der Gehörnten.

In meiner ehemaligen WG wurden den ganzen Tag launige Glückwünsche verteilt und abends gingen wir Pizzaessen. Derjenige, den es im vergangenen Jahr besonders schlimm mit den Hörnern erwischt hatte, durfte symbolisch die Standarte tragen und wurde besonders gefeiert. Heute sind alle aus der Clique verheiratet und die Glückwünsche werden immer öfter mit einem leicht gequälten Grinsen entgegengenommen… Mit 40+ bekommen die Hörner vielleicht doch allmählich ein anderes Gewicht als mit 25, wobei sich vor allem die Italienerinnen damit trösten, wie hübsch man sie an Weihnachten polieren und schmücken kann.

Man gerät in fröhlicher Runde immer wieder ins Fachsimpeln über das Ach und Weh von Hörnern und deren reichhaltige Verzweigungen im Laufe der Jahre, und es wird immer wieder die Tatsache diskutiert, dass das Fremdgehen von Männern angeblich gar keine Hörner verursacht, nur das von Frauen. Deshalb gibt es eigentlich auch keine besonderen Schimpfworte für einen leichtlebigen Mann, und um so mehr für eine Frau mit den gleichen Neigungen.

Warum das Fest des Heiligen Martin nun das Fest der Gehörnten ist, kann nur vermutet werden. Es könnte an den zahreichen Vieh-Messen, die traditionell genau in dieser Jahreszeit lagen, und aufgrund derer eben viele gehörnte Tiere unterwegs waren. Oder die 12 Tage langen heidnischen promiskuitiven Feste, die noch gefeiert wurden, als das Sankt-Martins-Fest eingeführt wurde, waren berüchtigt für die zahlreichen Ehebrüche in dieser Zeit. Oder die Zahl 11.11 inspirierte zu den Hörnern: wenn man sie mit den Händen aufzeigt, hat man leicht das Symbol der Gehörnten.

Wie dem auch sei, denk dran: flüchtigen Bekannten, dem Chef oder muskelbepackten Finsterlingen am 11. November tunlichst kein strahlendes „auguri“ entgegenzuschmettern.

Mein Herbst-Fazit: eine wunderschöne Jahreszeit, in der man zu angenehmen Temperaturen viel unternehmen kann. Wenn nicht gerade ein kleiner Herbststurm bei orkanartigem Wind halb Apulien unter Wasser setzt, öhem, das gibt es nämlich auch…

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